Eine Frage der Perspektive?

Ich war gestern bei einer Veranstaltung des Arbeitskreises Medien der CDU Köln/Rhein-Sieg zum Thema Urheberrecht. Titel der Veranstaltung war: „Von Warnhinweisen bis Social Media – Content urheberrechtlich schützen und vermarkten“. Um Mißverständnissen vorzubeugen: mir war schon klar, daß ich hier nicht auf die Befürworter einer Reform des Urheberrechts treffen würde, aber was ich dann hörte (und – um es verarbeiten zu können – auch twitterte) hat mich doch sehr irritiert.
Einleitend ging es um die Frage, ob Warnhinweise zu mehr Bewußtseinsbildung und damit zu mehr Verbraucherschutz und Rechtssicherheit führen. Darüber kann man sicherlich trefflich diskutieren. Leider wurde diese Frage in der Podiumsdiskussion nur kurz aufgegriffen, es ging vielmehr um die grundsätzliche Einstellung zum Urheberrecht. Die Frage „wie kann man die legale Nutzung steigern“ fand ich ja noch interessant (obwohl die Frage irgendwie schon zu beinhalten scheint, daß die illegale Nutzung überwiegt …..) – die Antwort „wir brauchen ein hohes urheberrechtliches Schutzniveau“ überzeugte mich nicht ganz. Ich persönlich habe oft den Eindruck, daß einfach die passenden Geschäftsmodelle fehlen – aber da kann man natürlich anderer Meinung sein.
Danach „kippte“ es dann für mich: man war sich einig, daß das Wissen über das Urheberrecht (gerade bei jüngeren Menschen) nicht besonders ausgeprägt ist. Das sehe ich auch so. Und was will man nun machen? Eine Kampagne (ich fühlte mich an die Werbung mit den Fähnchen erinnert …..)! Nichts gegen urheberrechtliche Aufklärung und Bewußtseinsbildung – aber ich glaube nicht, daß man die aktuellen Fragen und Probleme im Bereich Urheberrecht mit einer Kampagne in den Griff bekommen kann.
Aber weiter: Die Kampagne sollte den Nerds und den Piraten Aufklärung entgegensetzen und in der Schule den Wunsch wecken, über dieses Thema zu sprechen – wir sollten gemeinsam auf die Lichtung treten und für ein starkes Urheberrecht kämpfen (ich blickte suchend im Raum um mich….: wo ist bloß der Wald, in dem ich verschwinden kann…..).
Dann wagte es jemand, den redlichen Nutzer zu erwähnen …. Aber: völlig falscher Ansatzpunkt, denn: wir müssen das Urheberrecht vom Urheber aus betrachten, denn deswegen heißt es ja „Urheberrecht“. Es wurde zwar anerkannt, daß ein Bedürfnis an Aufkärung da ist, aber das kann alles – so das Podium – mit der Kampagne erreicht werden (hört sich an wie der moderne Zauberstab).
Das Podium war sich einig, daß (bis auf ein paar kleinere Punkte) das Urheberrecht nicht verändert werden soll – im Gegenteil, gerade der Bereich Abmahnung (als einzige Sanktionsmöglichkeit) soll nicht verändert werden. Es besteht nämlich (so das Podium) kein Rechtssetzungs- sondern lediglich ein Rechtsdurchsetzungsdefizit. Die Urheber (Künstler) brauchen (so das Podium) insbesondere bessere Auskunftsansprüche.
Ausgangspunkt der Veranstaltung war ganz klar der „dumme und böse Nutzer“ – wer etwas falsch macht, ist halt entweder böse oder dumm. Zu diesem Bild paßten auch Sprüche aus dem Publikum wie „ich kenne keinen Lehrer, der nicht klaut (Texte etc.)“ oder „wenn Sie eine Abmahnung erhalten, dann wissen Sie, daß Sie etwas falsch gemacht haben“. Nur ein einziger Publikumsbeitrag hat auf die Problematik des kaum verständlichen Urheberrechts (gerade auch im Schulbereich) hingewiesen: ein guter Beitrag, für den ich mich auch persönlich bedankt habe.

Was bleibt hängen? Die Frage der Perspektive! Es gibt – grob untereilt – drei Gruppen, die das Urheberrecht ganz unterschiedlich nutzen/anwenden: die Urheber selbst, die Verwerter und die Nutzer. In allen drei Gruppen gibt es natürlich auch „schwarze Schafe“. Aber: mir sind in den letzten Jahren in allen Gruppen Menschen begegnet, die nichts Böses tun wollten, die aber trotzdem „schuldig“ wurden, also gegen das Urheberrecht verstießen. Viele Frage sind selbst unter Juristen umstritten – eine einfache und klare Beurteilung im Sinne von „ja oder nein“ gibt es oft nicht (oder erst nach einiger Zeit, wenn ein Gerichtsturteil vorliegt).
Wessen Perspektive ist denn dann die „richtige“ Perspektive? Das ist meines Erachtens eine Frage, die in die Irre führt. Urheber, Verwerter und Nutzer sind untrennbar miteinander verbunden und voneinander abhängig. Ein Werk, daß keine Nutzer (Leser/Zuschauer etc.) findet, wird dem Urheber/Verwerter keinen wirtschaftlichen Erfolg einbringen. Ein Urheberrecht, daß die Nutzer systematisch kriminalisiert ist so erfolgreich wie ein Ladenkonzept mit dem Plakat an der Eingangstür „Sie sind alle Diebe“. Zudem können wir manchmal (in unterschiedlichen Situationen) auf unterschiedlichen Seiten stehen: mit dem Schreiben dieses Beitrags bin ich (potentiell) als Autorin Urheberin (nein, wir müssen jetzt nicht über die Schöpfungshöhe dieses Beitrags diskutieren), wenn ich andere Beiträge lese bin ich Nutzerin. Nur wenn wir alle Perspektiven – Urheber, Vewerter und Nutzer – angemessen bei der Betrachtung des Themas berücksichtigen – werden wir eine angemessene Vorgehensweise finden. Die Podiumsdiskussion (und auch das Gespräch danach) hat mir klar gemacht: wir alle, die wir im Internet aktiv sind, müssen uns parteiübergreifend für das Internet und unsere Meinungsfreiheit engagieren, wenn wir es nicht tun, dann tut es keiner.

Das zunehmende Unsicherheitsgefühl …….

Vor ein paar Tagen habe ich mein Blog gestartet und in meinem ersten Beitrag auch erwähnt, daß mittlerweile kaum ein Tag ohne Meldung zum Urheberrecht vergeht. Nur ein paar Tage später hagelt es wieder Tweets, Berichte und Beiträge zum Thema, denn: es gibt einen ersten Entwurf zum Leistungsschutzrecht (#LSR).  Dabei möchte ich jetzt gar nichts zum #LSR schreiben, es geht mir eher um ein Grundproblem: das Problem der ständig zunehmenden Unsicherheit.

Wir müssen uns jeden Tag in vielen Situationen immer wieder entscheiden. Viele dieser „Entscheidungen“ nehmen wir gar nicht mehr bewußt wahr – wie z.B. beim Autofahren. Das haben wir irgendwann gelernt und wir wissen (meistens), wie wir uns verhalten müssen. Das heißt nicht, daß wir dort keine Fehler machen – aber in der Regel wissen wir ziemlich genau, was wir gerade falsch gemacht haben und meistens geht es ja auch – glücklicherweise – gut aus.

Dieses „gute Gefühl“ zu wissen, was man da tut, ist beim Urheberrecht leider verloren gegangen – und dies nicht erst mit dem aktuellen Entwurf zum #LSR. Stellen Sie sich vor, Sie müßten an einer Kreuzung erst einen Anwalt anrufen, um zu fragen, ob Sie jetzt fahren dürfen oder nicht. So ähnlich empfinde ich es gerade mit dem Urheberrecht. Ganz viele Fragen bleiben offen, ganz viele Nutzugswege stehen unter dem Damoklesschwert einer kostenpflichtigen Abmahnung. Aber kann es denn sein, daß wir vor jedem Tweet, vor jedem Blogbeitrag , Beitrag bei Facebook oder Google+ bzw. vor jedem Verlinken erst eine Auskunft einholen müssen?

Dirk von Gehlen hat in seinem (sehr lesenswerten) Buch „Mashup – Lob der Kopie“ vor einer Kriminalisierung der Bevölkerung durch das Urheberrecht gewarnt. Für mich geht das aktuelle Unsicherheitsgefühl über das Risiko der Kriminalisierung weit hinaus. Das Alltagswissen der Menschen reicht plötzlich nicht mehr aus, um einfache Entscheidungen zu treffen, die ihre Präsenz und Kommunikation in sozialen Netzwerken und/oder auf Blogs betreffen.

Dabei geht es nicht um die Frage, ob eine Diskussion gut oder schlecht läuft, ggfs. sogar einen Shitstorm auslöst, sondern um die Frage der Angreifbarkeit und Haftung, die – aufgrund der mit Abmahnungen verbundenen hohen Kosten – berechtigterweise Angst auslösen – Angst um die eigene Existenz!

Nach Luhmann entsteht Unsicherheit bei gleichzeitigem Anfall von Wissen und Nichtwissen. Für Entscheidungen konnte man – so Fritz Simon im Buch „Einführung in die systemische Organisationstheorie“ – Seite 66 – das Wissen aus Erfahrungen über die Vergangenheit ableiten und so Entscheidungen für die vermutete Zukunft treffen. Wie aber können wir Entscheidungen für eine unsichere Zukunft treffen, wenn wir die Erfahrungen aus der Vergangenheit nicht als „sichere Basis“ sondern als Verunsicherung empfinden? Worauf können wir uns – gerade im Bereich Urheberrecht – verlassen? Was ist definitiv und ohne Einschränkung möglich und „erlaubt“?

Ich spüre diese Unsicherheit in vielen Tweets und Beiträgen in Blogs und sozialen Netzwerken und ich bin traurig über diese Entwicklung. Diese Art von Unsicherheit (die durch entsprechende Abmahnungen und Vorfälle noch genährt wird) kann letztlich – und da stimme ich Udo Vetter zu – zu einer „digitalen Kastration“ und damit zu einer Einschränkung der Meinungsfreiheit führen. Wenn wir nur noch die Entscheidung haben, ob wir schweigen oder angreifbar sind, dann haben wir keine Meinungsfreiheit mehr.

Wie geht es Ihnen/Euch damit? Überwiegt das Gefühl der Sicherheit (ja, ich weiß, was ich tue)oder das Gefühl der Unsicherheit (hoffentlich darf ich das/hoffentlich geht es gut)?
Über eine Teilnahme an der Abstimmung zu dieser Frage und natürlich auch über Kommentare und Antworten) würde ich mich freuen!

Einladung zum Urheberrechtsquiz

Wer sich im Internet „bewegt“ hat praktisch täglich auch mit dem Urheberrecht zu tun. Aber: Hand aufs Herz – wissen Sie/wißt Ihr wirklich, was Sie tun/Ihr tut? Wie steht es mit Ihren/Euren Kenntnissen im Bereich Urheberrecht?

Ich lade Sie/Euch ein, hier regelmäßig anhand von kleinen Quizfragen das Wissen im Bereich Urheberrecht zu testen. Ich freue mich dabei besonders über Ihre/Eure Gedanken zu der jeweiligen Frage, Ihre/Eure Gegenfragen, Anmerkungen und Links.

Die Auflösung gibt es jeweils (so habe ich es zumindest vor) in der nächsten Woche!

Herzlich willkommen im Urheberrechtscafé!

Vor ein paar Wochen war ich in Berlin auf der #rp12. Ich habe mir dort einige sehr interessante Sessions zum Thema Urheberrecht angesehen, habe emsig zum Thema Urheberrecht getwittert und habe auch über viele Themen nachgedacht. Bereits seit einigen Jahren beschäftige ich mich intensiv mit dem Thema Urheberrecht – vor allem im vertraglichen Bereich. Als ich vor vielen Jahren in der Uni Vorlesungen zum Thema Urheberrecht hörte, handelte es sich noch um ein „Orchideenfach“. Wir waren in einem kleinen Hörsaal untegebracht und die Anzahl der Hörer war „überschaubar“. Heute ist Urheberrecht plötzlich für alle ein Thema, weil wir im Rahmen der digitalen Welt immer wieder an rechtliche Grenzen stoßen. Für juristische Laien sind viele Beschränkungen und Risiken kaum nachvollziehbar. Aber natürlich haben diese Bestimmungen auch Befürworter. Gerade in den letzten Monaten konnten wir online heftige Diskussionen verfolgen – offene Briefe von Urhebern, Reaktionen auf offene Briefe, Blogbeiträge, Tweets ….. Es vergeht kaum ein Tag ohne eine Meldung zu diesem Thema.

Und jetzt auch noch ich? Ja, denn ich möchte eine „gemäßigte“ Stimme erheben. Ich möchte das Urheberrecht weder abschaffen noch verschärfen – ich denke aber, daß es der heutigen Zeit angepaßt werden muß. Dabei geht es mir darum, Stolperfallen aufzuzeigen, über Begrenzungen nachzudenken, über Geschäftsmodelle und über mögliche Entwicklungen. Gemeinsam mit Ihnen/Euch möchte ich – in einem virtuellen Café (und gerne auch persönlich bei einem Kaffee oder einem Glas Wein) – über ein Urheberrecht nachdenken, daß für alle Beteiligten eine gute Grundlage für die Zukunft bietet.

Eine romantische Vorstellung? Vielleicht! Aber versuchen kann ich es ja trotzdem und ich freue mich auf gute Gespräche mit Ihnen/Euch.